Die Kraft der Frauen

„Männer sind Schweine“ lautet der Titel eines Songs der „Ärzte“ aus dem Jahr 1998, „Ein Mann fühlt sich erst dann als Mann, wenn er es dir besorgen kann“ eine Textzeile daraus. Ich erinnere mich gut daran, wie ich damals beim Refrain mitjohlte und mir dachte, ja so ist es.

Ich war eine jener zornigen, jungen Frauen, die sich vom anderen Geschlecht missverstanden und schlecht behandelt fühlten. Zu oft hatte ich es erlebt, dass Männer mich auf der Straße anmachten oder sich im vollbesetzten Bus an mich pressten. Mehr als einmal schrie ich wildfremde Männer, die einen plumpen Annäherungsversuch gemacht hatten, genervt an. In Gesprächen mit meinen Freundinnen, in denen es oft um unsere schlechten Erfahrungen mit Männern ging, fühlte ich mich in meiner Meinung bestätigt. Irgendwann begann es mir jedoch zu dämmern: Solange ich mit dieser „Alle Männer sind Schweine“- Attitüde auf einen Mann zugehe, werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit von ihm enttäuscht werden. Und so geschah es auch, nur allzu oft traf ich Männer, die mich nicht respektierten und mich bald fallen ließen. Im Laufe der Jahre lernte ich, mich selbst wert zu schätzen – und siehe da, ich lernte Männer kennen, die mich respektvoll behandelten.

Dennoch kann ich es nachvollziehen, wenn Frauen gereizt auf männliche Verhaltensweisen wie das sogenannte manspreading reagieren (Männer, die in öffentlichen Verkehrsmitteln mit weit gespreizten Beinen dasitzen). Auch bei meiner Tochter wächst gerade das Bewusstsein für solch typisch männliches Verhalten. Neulich im Hallenbad erzählte sie mir, dass sie einen Mann beobachtet hätte, der mit seinen Blicken einer Frau durch die gesamte Schwimmhalle gefolgt war. Sie findet so etwas „creepy“. In solchen Fällen beschwichtige ich sie: Solange es nur Blicke seien, gäbe es keinen Grund zur Aufregung. Ich tue mein Bestes, um ihr Selbstbewusstsein  zu stärken und ermutige sie, Grenzen zu setzen. Aber natürlich weiß ich, wie sie sich fühlt, ich habe mir im Laufe der Jahre antrainiert, anzügliche Blicke zu ignorieren und mich gegen plumpe Anmache zu wehren. Das hat irgendwann zum Erfolg geführt, mich aber auch hart gemacht. Diese Härte scheint der Preis für selbstbewusste und erfolgreiche Frauen zu sein. Denn auch beruflicher Erfolg, der oft bedeutet, sich im Mitbewerb durch zu setzen, und nebenbei womöglich noch Kinder und Haushalt zu managen, erfordert viel Kraft und Zähigkeit. Diese Härte wiederum steht uns Frauen dabei im Weg, uns mit unserer urweiblichen Seite zu verbinden. Mit zunehmendem Alter spüre ich, dass ich den Weg zurück zu diesem weichen, nachgiebigen Teil in mir suche.

Wenn es darum geht, der männlichen „Platz da, jetzt komm ich“-Haltung etwas entgegen zu setzen, sind wir Frauen gefordert, zu eben dieser weiblichen Urkraft zurück zu finden. Das bedeutet nicht, dass wir uns unterordnen oder uns kleiner machen als wir sind (was leider viel zu oft passiert). Es bedeutet auch nicht,  uns männliche Verhaltensweisen anzutrainieren oder gar Machtkämpfe auszutragen. Wer will schon sein wie jene machthungrigen Männer, die es nicht ertragen, wenn ihnen die Kontrolle entgleitet? Die um sich schlagen – oft auch verbal – wenn ihnen der Boden, auf dem sie all ihr Machtgebaren einzementiert haben, unter den Füßen weggezogen wird? Als Folge der metoo-Debatte ist neuerdings zu hören, dass Männer Bedenken hätten, alleine mit einer Frau in den Lift zu steigen oder – erst kürzlich gelesen – einer Frau in einer Notsituation zu helfen. Aus Angst, im Nachhinein fälschlicherweise eines Übergriffes bezichtigt zu werden. Oder von Männern, die nicht mehr wissen, ob und wie sie mit einer Frau flirten dürfen. Dabei wäre es so einfach: ein klein wenig Hinspüren reicht aus, um zu wissen, ob eine Frau interessiert ist. Ja, es mag Frauen geben, die aus Geltungs- oder Rachsucht Männer einer Tat beschuldigen, die nie passiert ist. Meine Erfahrungwerte sagen mir jedoch, dass das eine Minderheit ist und die allermeisten Übergriffe Frauen gegenüber tatsächlich passiert sind – und passieren. Der Umkehrschluss würde lauten: Ich steige in keinen Lift mehr, in dem sich ein Mann befindet – weil ich schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht habe. Ich weigere mich jedoch, alte Ängste mit mir herumzutragen und habe mich dazu entschlossen, den Menschen grundsätzlich zu vertrauen – und es funktioniert!

Ich habe lange genug Machtkämpfe ausgetragen, auch in meinen Beziehungen, um zu wissen, dass es letztendlich darum geht, Frieden mit mir selbst zu schließen. Der Panzer, den ich mir im Lauf der Jahre zugelegt habe, beginnt zu bröckeln. Ich bin froh, einen Mann an meiner Seite zu haben, von dem ich lernte, in mich hinein zu spüren und der unserer Tochter in vielerlei Hinsicht Vorbild ist. Mein Sohn hat sich zu einem feinfühligen jungen Mann entwickelt, dem respektvolle Beziehungen am Herzen liegen. Mehr und mehr wird mir klar: Wir Frauen können lernen, in unserer männerdominierten, auf Konkurrenz ausgerichteten Gesellschaft zu unseren weiblichen Qualitäten zurück zu finden und auf unsere innere Stärke zu vertrauen – und damit Männern ein Vorbild sein.  Dann wird es vielleicht – hoffentlich nicht in allzu ferner Zeit – ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Mann und Frau geben.

2 Antworten auf “Die Kraft der Frauen”

  1. Deinem Text kann ich nur zustimmen, Susanne.
    Ich würde nur gerne etwas hinzufügen, das vielleicht absurd klingt….
    Ja, das hat mit den Rollenbildern zu tun, aber was kaum gesehen wird: Diese Rollenbilder haben etwas mit dem Weltbild zu tun. Das heißt aber auch, solange wir uns mit diesen Rollenbildern herumschlagen, wird sich nicht wirklich was ändern.
    Dieses Weltbild ist angelehnt an die Naturwissenschaft, speziell die Physik. Daher geht es in erster Linie um Dinge und Objekte. Auch Menschen werden zu Objekten, weil in der Naturwissenschaft das Subjekt herausgehalten wird. Darauf sind wir dermaßen konditioniert, dass es auch im Leben nicht um Menschen geht, sondern um Objekte, um „Materie“.
    Dass die Physik schon viel weiter ist, ist uns entgangen. Die Quantentheorie hat es längst vorgemacht. Wenn wir das Subjekt (das Zugrundeliegende) mit einbeziehen, dann geht es nicht mehr um Dinge und Objekte, sondern um Wechselwirkung (außerhalb von Wechselwirkung ist ein Quantenobjekt schlicht nicht existent). Wenn wir im Leben das Menschsein einbeziehen, dann geht es nicht mehr um isolierte Ichs und ebenso isolierte und objektivierte Dus, sondern um Beziehung. Der Mensch ist außerhalb von Beziehungen (als Mensch) nicht existent.
    Beziehung zum Anderen gibt es nur auf Augenhöhe, sonst ist es Abhängigkeit. Warum sollte ein Mann sich nicht erst dann wohlfühlen, wenn er Beziehung wahrnimmt. Da muss er nicht darüber nachdenken, wer wen dominiert, sondern das passiert im „Dazwischen“. Dazu kann man als Ich oder Du gar nichts beitragen, außer offen dafür sein. Und wer Beziehung so erlebt, wird Frauen prinzipiell anders sehen, sie respektieren und akzeptieren so, wie sie sind.
    Das berühmte Alpha-Männchen, das immer zum Narzissmus tendiert, das seinem Jagdtrieb frönt, ist in dieser Hinsicht beziehungsunfähig, weil es von oben herab keine Beziehung gibt. Und weil eine Überbetonung des Ich in die Isolierung führt. Alleine mit Anhängseln zu sein, und seien es auch Dutzende, wird nie zur Beziehung.
    Offen sein für Beziehung heißt, ich muss weder mir noch dir etwas beweisen oder bestätigen. Es gibt keine Konkurrenz, weil Beziehung – wie alles im Leben – etwas Einmaliges ist. Und es wird, weil vieles nicht steuerbar ist, immer ein Abenteuer sein.

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  2. Tja, solange man Männern vermittelt, sie seien der Mittelpunkt der Welt, solange wird sich auch nichts ändern. Insofern beneide ich die geschlechtsneutrale Erziehung in Schweden.

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