Reisen bedeutet für mich vor allem: mich auf die Menschen einzulassen, einzutauchen in das Land und mich treiben zu lassen. Je länger ich unterwegs bin, desto besser gelingt mir das.

Spätestens seit New Orleans, dieser entspannten Stadt, spüre ich, wie sich alles von selbst ergibt: ich suche dringend eine Unterkunft für eine zusätzliche Nacht und bekomme ein kostenloses Zimmer in meinem Guesthouse angeboten (zwar ohne Badezimmer, aber hey, ich war immer schon eine Improvisationskünstlerin!). Ich ändere spontan meine Pläne für die Weiterreise und suche eine Unterkunft über Couchsurfing für Albuquerque, New Mexico – und lande gleich bei der ersten Anfrage einen Volltreffer. Rosalie, meine Gastgeberin, ist eine kluge und weltoffene Frau, mit der ich Gespräche über das Reisen und über Politik führe. Bei einem gemeinsamen Abendessen lerne ich ihre Freundin Jane, eine pensionierte Gynäkologin, kennen, die mich mit ihrem trockenen Humor zum Lachen bringt. Als sie über ihr Haus am anderen Ende der Stadt, nahe des Rio Grande, erzählt, denke ich: Da will ich hin. Am nächsten Tag fragt Rosalie mich, ob ich mit ihr und Jane einen kleinen Ausflug machen möchte – in Jane’s Wohngegend. Und ob ich will! Bei unserem Spaziergang überholt uns eine Gruppe junger, durchtrainierter Männer und ich zücke spontan meine Kamera. „Don’t we have nice scenery?“ fragt Jane lachend. Später schlendere ich durch die Altstadt von Albuquerque, gemeinsam mit etlichen anderen Touristen. Auf dem Gehweg kommt mir ein Mann entgegen, beim Versuch, einander auszuweichen, stoßen wir beinahe zusammen. Er breitet seine Arme aus, fragt „Do you wanna dance?“ und geht lachend an mir vorbei. Die Freundlichkeit der Amerikaner ist einer der Gründe, weshalb es mich immer wieder in dieses Land zieht.

Die Weite des Landes und der tiefblaue Himmel haben eine beinahe meditative Wirkung auf mich, ich genieße jeden Augenblick. Je länger ich unterwegs bin, desto mehr gelingt es mir, im Hier und Jetzt zu sein. Ich denke nicht mehr darüber nach was ich tun oder mir ansehen sollte – sondern lasse auf mich zukommen, was sich ergibt. Weit weg erscheinen mir nun die Probleme, die mich vor meiner Abreise beschäftigten. Ich hatte so vieles in Frage gestellt: Meine selbständige Arbeit als Journalistin, die unzähligen Herausforderungen des Alltags. Das Leben erschien mir als einzige Anstrengung, ein Dahintänzeln am Rande der Erschöpfung. Und nun, unterwegs durch dieses Land der unendlichen Vielfalt, tun sich plötzlich neue Perspektiven auf. Nun wird mir wieder klar: Es liegt an mir, das Beste aus meinem Leben und meiner Arbeit zu machen.
Noch heute geht es weiter nach Santa Fe, der Besuch dort war der ursprüngliche Grund für meine Reise. Seit Jahren wünsche ich mir, diesen Ort kennen zu lernen, den viele Künstler als magisch und inspirierend bezeichnen. Julia Cameron hat ihr Buch „Der Weg des Künstlers“, hier geschrieben – ein Buch, das mich seit langer Zeit begleitet. Auch in Santa Fe habe ich über Couchsurfing eine Unterkunft gefunden – und auch das ist für mich ein Teil des Abenteuers Reisen: Mich auf jemanden einzulassen, den ich nie zuvor gesehen habe. Es funktioniert: Ich bin beim Couchsurfen noch nie enttäuscht worden.