Den eigenen Weg finden

Warum fällt es vielen Menschen so schwer, ein Leben zu leben, das ihren Vorstellungen entspricht und einer Arbeit nachzugehen, die sie erfüllt?

Wenn ich mich umsehe, sehe ich Menschen, die unzufrieden sind mit dem, was sie tun, die fremdbestimmt wirken und sich in ein Leben gefügt haben, das nicht das ihre zu sein scheint. In unserer Gesellschaft, die Leistung um jeden Preis verlangt, scheint es normal zu sein, einer Arbeit nachzugehen, die keinen Spaß macht, aber Sicherheit und gutes Geld verspricht (und oft nicht einmal das).

Es beginnt schon in der Schule, die sich mehr auf Schwächen konzentriert, statt Stärken zu fördern und setzt sich in einem neoliberal geprägten Gesellschaftssystem fort, in dem Herzenswünsche nicht gefragt sind. Vielleicht hat es damit zu tun, dass das Wort Erfolg bei uns einen negativen Beigeschmack hat: es wird oft mit Geldgier und rücksichtslosem Machtstreben gleich gesetzt. Dabei können wir in so vielen Bereichen erfolgreich sein: Bei der Arbeit, in Beziehungen, in der persönlichen Entwicklung. Erfolg kann bedeuten, etwas zu erreichen, das ich mir vorgenommen habe, meine Träume zu verwirklichen, eine gute Mutter zu sein, mich für meine Werte einzusetzen. Und ja, auch gut von meiner Arbeit leben zu können – und zwar von einer Arbeit, die mich erfüllt und Sinn stiftet. „Es ist eine hohe Form der Selbstbestimmung, wenn ein Mensch das tut, was sie oder er gerne tut“, schreibt Verena Florian in ihrem Buch „Mut zum Rollentausch“. „In diesem Moment übernimmt sie oder er die Verantwortung für sich selbst. Das trägt dazu bei, dass dieser Mensch ausgeglichen und gesund ist sowie einen konstruktiven Beitrag für die Allgemeinheit leistet.“ Wenn mehr Menschen sich erlauben würden, einer Arbeit nachzugehen, die ihren Talenten und Wünschen entspricht, wären sie zufriedener und hätten mehr Muße, sich darüber Gedanken zu machen, welche Werte ihnen wichtig sind. Sie würden sich vielleicht mehr für ihre Umwelt einsetzen, sich sozial oder politisch engagieren.

Auch ich war lange auf der Suche nach der Arbeit, die zu mir passt. Das Schreiben lag mir immer schon am Herzen, doch ich war voll von Selbstzweifeln: Bin ich gut genug? Ich begann ein Studium und brach es wieder ab, versuchte es mit einer weiteren Ausbildung. Die Jahre vergingen und ich wusste nicht, wohin ich gehörte. Bis ich einen Job als Online-Redakteurin fand – und zum ersten Mal in meinem Leben stolz auf das war, was ich tat. Es sollten weitere Jahre mit Fortbildungen vergehen, bis ich all meinen Mut zusammennahm und mich bei einem Gesundheitsmagazin bewarb, das auf der Suche nach Mitarbeitern war. Ich schrieb meinen ersten großen Artikel und wurde als Kolumnistin ausgewählt.  Endlich fühlte sich alles richtig an.

Ich habe mich oft gefragt, weshalb es bei mir so lange dauerte, bis ich meinen Weg fand. Das mag zum einen daran liegen, dass ich mich nicht so schnell mit halben Sachen zufrieden gebe und tief in meinem Inneren immer gespürt habe, dass ich es verdient habe, glücklich zu sein – auch wenn ich es mir lange Zeit nicht zugestand. Es mag aber auch daran liegen, dass ich als Kind und in meiner Jugend fremdgesteuert war und nie lernte, meine eigenen Wünsche zu artikulieren. Auf die Klosterschule, in der ich mich nicht wohl fühlte, folgte das Musikgymnasium, in dem ich mich fehl am Platz fühlte. Ich machte lange Zeit mit, ließ mich verbiegen, obwohl ich schon bald merkte, dass mir für eine Musikerkarriere der Ehrgeiz fehlte. Nach der Matura tat ich dann genau das Gegenteil von dem für mich vorgesehenen Plan: Ich trieb plan- und ziellos durchs Leben, probierte vieles aus, jobbte und reiste.

Auch wenn ich es lange nicht begriff, war das meine Art, gegen den mir vorgegebenen Weg aufzubegehren. Glücklich machte es mich jedenfalls nicht. Heute weiß ich: Ich will mit meiner Arbeit etwas bewegen, zum Nachdenken und vor allem auch zum Handeln anregen. Wenn es mir gelingt, Menschen zu erreichen und zu inspirieren, macht mich das glücklich.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: