Wir erleben es täglich: Frauen werden bewertet, herabgewürdigt, verurteilt, sehr oft wegen ihres Aussehens. Das Schlimme daran: Nicht nur Männer tun das, sondern auch andere Frauen. Dieses so typisch weibliche Gezänke und Hick-Hack sorgt dafür, dass wir einander klein machen und uns letztendlich selbst schwächen. Welcher Mann käme auf die Idee, abfällig über das Äußere eines Geschlechtsgenossen zu sprechen? Doch wir Frauen tun es, wieder und wieder. Es reicht nicht, dass manche Männer uns klein halten wollen, wir tun es gleich selbst. Wir stellen unser Licht unter den Scheffel, trauen uns zu wenig zu, halten uns mit unserer Meinung zurück, schlucken unsere Wut hinunter.
Wir beklagen uns darüber, dass Frauen weniger als Männer verdienen, tun aber zu wenig, um das zu ändern. Wenn es darum geht, ein besseres Gehalt auszuverhandeln oder die eigenen Stärken hervorzuheben, kneifen viele. Veranstalter von Talk Shows oder Podiumsdiskussionen beklagen immer wieder, dass angefragte Frauen eine Teilnahme ablehnen würden – mit der Begründung, nicht qualifiziert genug zu sein. Sei bescheiden, halte dich zurück – so sind Frauen meiner Generation erzogen worden. Ich selbst kenne dieses Verhaltensmuster nur zu gut, jahrelang habe ich mitgemacht, mich klein gemacht, habe mich mit wenig zufrieden gegeben, nur nicht aufmucken, immer lächeln.
Ich war eine jener Mütter, dich sich darüber beschweren, dass sie sich um Haushalt und Kinder kümmern müssen und dabei übersehen, dass die Väter von heute sehr gerne ihren Beitrag zur Kindererziehung leisten würden – wenn wir sie nur ließen. Denn wenn es um Kinder und Familie geht, fühlen wir Frauen uns stark. Wir haben sehr genaue Vorstellungen davon, wie unsere Kinder behandelt werden sollen, bloß decken sich die nicht immer mit denen der Väter. Also nörgeln wir an ihnen herum, wissen alles besser, bis ihnen die Lust am Kinderbetreuen vergeht (mein Mann ließ sich zum Glück nicht beirren, dafür bin ich ihm bis heute dankbar). Loslassen wäre gefragt, mehr Vertrauen in die Väter, die vieles ein wenig lockerer sehen als die Mütter. Das tut dem Kind gut, Kinder brauchen Väter, und wenn die anders agieren als die Mütter, umso besser. Die Zeit, die wir mit Nörgeln verbringen, könnten wir auch wunderbar für uns selbst nutzen, denn natürlich beschweren wir uns auch darüber, dass wir nie Zeit für irgendetwas haben – am wenigsten für uns selbst. Dabei wäre es so wichtig, gut für uns selbst zu sorgen, der Alltag mit Kind und Mann ist anstrengend genug. Aber wir glauben, dass wir stark sein und alles aushalten müssen, um in der Männerwelt bestehen zu können, wo nur starke Frauen etwas wert sind. Die gute Nachricht: Wir können stark und weich zugleich sein! Wir haben verlernt, auf unsere innere Stärke zu vertrauen und lassen uns stattdessen einreden, dass wir alles schaffen und dabei auch noch perfekt aussehen müssen. Währenddessen überlassen wir den Männern weiterhin das Regieren, das Entscheiden und sehen zu, wie sie ihre Kriege führen und die Welt in den Abgrund treiben.
Dass gerade eine Generation von jungen Frauen heranwächst, die sich auf die Füße stellt und es mit den alten (weißen) Männern aufnimmt – wie die Klimaaktivistin Greta Thunberg oder die US-amerikanische Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez – stimmt mich froh. Ich bin ziemlich sicher, dass diese Frauen nie ein abfälliges Wort über eine andere Frau fallen lassen würden – sie sind zu beschäftigt damit, ihren eigenen Weg zu gehen.
Vielleicht bin ich auch deshalb ein so großer Fan von Greta Thunberg: Ich wäre selbst gerne so gewesen in diesem Alter, so unbeirrbar und tapfer, hätte gerne einen Vater gehabt, der mich in meinem So-Sein unterstützt (wie gesagt, Väter sind wichtig..). Immerhin habe ich gelernt, für mich einzustehen, mich für die Dinge einzusetzen, die mir etwas bedeuten, meine Meinung zu sagen und dazu zu stehen. Das hat zwar ein bisschen länger gedauert hat, aber, hey, es ist nie zu spät, oder?
P.S. Dieser Text klingt wütend? Mag sein. Ein wenig Wut tut uns Frauen gut.