Homeoffice im Lockdown: Ich stehe vor dem Badezimmerspiegel, betrachte die tiefen Ringe unter meinen Augen und überlege kurz, mich frisch zu machen. Dann verschwinde ich im Schlabberoutfit in meinem Arbeitszimmer. Ich schließe die Türe hinter mir, fahre den PC hoch, mache mich an die Arbeit. Fünf Minuten später steckt mein Mann den Kopf bei der Türe herein und fragt mich, was ich Mittagessen will. Wir reden kurz, ich arbeite weiter. Aus dem Nebenzimmer tönt laute Musik, meine Tochter hat die Stereoanlage bis zum Anschlag aufgedreht. Ich seufze, gehe hinaus, bitte sie, leiser zu drehen, mache die Türe zu. Gerade als ich es geschafft habe, mich wieder auf meinen Artikel zu konzentrieren, geht die Türe erneut auf, mein Mann schaut mich entschuldigend an und der Kater huscht herein. Er hüpft auf meinen Schreibtisch und spaziert über die Tastatur des Laptops. Ich atme tief ein und wieder aus, und dann noch einmal ein und wieder aus. Der Kater macht es sich neben dem Laptop bequem und schiebt seinen Schweif über die Tastatur. Sanft aber bestimmt schiebe ich ihn zur Seite.

Es gelingt mir, zwanzig Minuten konzentriert zu arbeiten, dann will der Kater wieder raus. Ich merke, dass ich Hunger habe und hole mir etwas zu essen. Die Tochter ist mittlerweile zum Fernsehen übergegangen, mein Mann steht daneben und schaut interessiert zu. Ich spüre Selbstmitleid in mir aufsteigen, ich will auch fernsehen. Ich frage meine Tochter, ob sie nichts für die Schule zu tun hat, sie meint: „Das mache ich später“. Mein Mann beginnt, mir etwas zu erzählen, was er gerade in den Nachrichten gelesen hat. Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu und verschwinde wieder in meinem Zimmer, überlege, wo ich stehen geblieben bin. Das Telefon läutet, meine Mutter. Ich überlege kurz, lasse es läuten. Einatmen, ausatmen. Diesmal schaffe ich dreißig Minuten, dann steht meine Tochter vor mir. Ich überlege, wo ich um Asyl ansuchen könnte und schreibe einer Freundin eine verzweifelte Nachricht. Sie lädt mich für den nächsten Tag in ihre Wohnung ein.
Und nun bin ich hier, alleine. Der Tapetenwechsel tut gut, ich beginne zu arbeiten. Es ist ruhig, zu ruhig. Ich mache Musik und versuche, mich auf meinen Artikel zu konzentrieren. Das Telefon läutet, meine Tochter. Ich spreche kurz mit ihr, schalte das Handy ab und sehe mich im Wohnzimmer meiner Freundin um. Mein Blick bleibt auf einem orange-violetten Plakat hängen und ich beschließe: Das wird mein Motto des Tages.
