Vertrauen

Ich werde oft gefragt, woher ich meine Zuversicht und mein Vertrauen ins Leben nehme. Dafür muss ich ein wenig ausholen.

Schon als Kind tat ich die waghalsigsten Dinge, sprang im Schwimmbad vom 10 Meter-Turm oder raste beim Schifahren die Hänge im Abfahrtsstil hinunter. Später reiste ich, oft alleine, durch die Welt, immer im Vertrauen darauf, dass mir nichts passieren würde – und so war es. Man könnte es auch Sorglosigkeit nennen, doch mit der Geburt meines ersten Kindes wandelte sich diese Sorglosigkeit in Verantwortung, gepaart mit Vertrauen. Ich war eine Mutter, die ihren Kindern alles zutraute, was sie sich selbst zutrauten, und noch mehr.

Das mag daran liegen, dass ich selbst als jüngstes von drei Geschwistern schon früh auf mich gestellt war. Meine Mutter begann zu arbeiten, als ich im Kindergarten war – in den 70ern nicht selbstverständlich. Ich erinnere mich an eine Situation, ich muss sechs oder sieben gewesen sein, als ich alleine mit der Straßenbahn zur Schule fuhr. Ich verpasste die Station, bei der ich aussteigen sollte, und begann verzweifelt zu weinen. Eine ältere Frau nahm mich bei der Hand, stieg mit mir bei der nächsten Station aus und wir gingen gemeinsam den ganzen Weg zurück zur Schule. Hin und wieder kam es vor, dass ich abends alleine zuhause war, dann fürchtete ich mich vor den dunklen Zimmern in der großen Wohnung. Schon damals mit einer reichen Fantasie ausgestattet, vermutete ich dort böse Geister, die auf mich lauerten. Eines Abends, ich war wieder alleine, begann in unserer Küche eine Aufzieh-Spieluhr plötzlich wie von Geisterhand zu spielen und jagte mir einen gehörigen Schrecken ein. In diesem Moment entschloss ich mich dazu, an gute Geister zu glauben. Denn ein Geist, der solchen Schabernack mit mir trieb, musste ein humorvolles Wesen sein. Ich stellte mir eine lustige Alte vor, die mir da drüben einen Streich spielte und herzhaft darüber lachte. Danach war ich beruhigt und hatte fortan keine Angst mehr, wenn ich alleine war.

An dieser Stelle höre ich die Kritiker sagen: Wie verantwortungslos von den Eltern, das Kind alleine zu lassen (man bedenke: es gab noch keine Handys)! Ein Kinderschänder hätte mich entführen können! Das sind jene, die überall Gefahr wittern und immer vom Schlimmsten ausgehen. Ich dagegen bin überzeugt davon, dass es auf diesem Planeten mehr freundliche Menschen gibt als solche, die uns Böses wollen (auch wenn die Medien uns anderes weismachen wollen).

Meine Eltern hatten offensichtlich Vertrauen in mich, sie trauten mir zu, alleine zu bleiben. Das hat letztendlich dazu geführt, dass ich bis heute sehr gut mit mir alleine sein kann. Mit meinen Kindern habe ich es ähnlich gehalten, hatte immer großes Vertrauen in sie und ihre Fähigkeiten. Sie waren früh selbständig und wussten sich selbst zu helfen. Die Erfahrungen meiner Kindheit haben dazu geführt, dass ich in anderen Menschen lieber das Gute sehe, als ihnen zu misstrauen. Und auch wenn ich in meinem Erwachsenenleben einige schmerzhafte Erfahrungen machen musste, habe ich heute ein tiefes Vertrauen ins Leben. Diese Einstellung kam nicht von heute auf morgen. Ich habe sie mir erarbeitet, habe gelernt, mich auf positive Entwicklungen zu konzentrieren statt auf das, was schief läuft. Ich gehe davon aus, dass alles, was weltweit geschieht, einen Sinn hat und Teil einer größeren Entwicklung ist. Und übernehme zugleich Verantwortung dafür, meinen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.

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