Frauen und Männer

Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern ist in den vergangenen Jahren nicht unbedingt einfacher geworden, eher im Gegenteil. In der zwischenmenschlichen Kommunikation herrscht viel Unsicherheit darüber, was erlaubt ist und was als übergriffig gilt.

Dazu fällt mir ein Erlebnis dieses Sommers ein: Ich war mit einem lieben Freund baden, wir suchten uns einen Platz auf der Liegewiese, breiteten unsere Handtücher aus. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass er mich mit bewunderndem Blick ansah. Es war das erste Mal, dass er mich im Bikini sah. Mein Freund ist verheiratet und liebevoller Vater und ich versuchte binnen Sekunden, diesen Blick einzuordnen. Erinnerungen an respektlose Anmache auf der Straße tauchten auf, anzügliche Bemerkungen von Arbeitskollegen, körperliche Übergriffe von Fremden. Aber auch Komplimente von Fremden, die mich ehrlich freuten. Es war ein winziger Moment der Unsicherheit und ich überspielte ihn, indem ich einfach weiterredete.

Später wurde mir bewusst, dass ich mich geschmeichelt fühlte. Das Verhältnis zu meinem Freund ist von großem gegenseitigem Respekt geprägt und ich wertete seinen Blick als Kompliment. Ich genieße es, dass ich trotz fortgeschrittenen Alters noch Männerblicke auf mich ziehe. Mir ist bewusst, dass ich mich gut gehalten habe und mag meinen Körper.

Eine Frage tauchte auf: Muss ich beleidigt sein, weil ein Mann mich attraktiv findet? Ich dachte daran, dass ich selbst hin und wieder Menschen mit Blicken verfolge, Männer und Frauen. Mir wurde auch klar, dass ein Blick wie der meines Freundes mich vor 30 Jahren noch viel mehr verunsichert hätte, ich mich abgewertet gefühlt hätte oder auch Gefühle hinein interpretiert hätte, die nicht vorhanden waren. So gesehen bin ich froh über all die Erfahrungen, die ich im Laufe der Jahre gemacht habe. Sie führten dazu, dass ich mir heute klarer darüber bin, wer ich bin und was ich will – und was nicht. Unangenehme Erlebnisse mit Männern haben mich dazu gebracht, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, mit meinem (damals) mangelnden Selbstwertgefühl.

In einem meiner älteren Blogposts habe ich folgende Worte gefunden: „Irgendwann begann es mir zu dämmern: Solange ich mit dieser „Alle Männer sind Schweine“- Attitüde auf einen Mann zugehe, werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit von ihm enttäuscht werden. Und so geschah es auch, nur allzu oft traf ich Männer, die mich nicht respektierten und mich bald fallen ließen. Im Laufe der Jahre lernte ich, mich selbst wert zu schätzen – und siehe da, ich lernte Männer kennen, die mich respektvoll behandelten.“

Aussöhnung mit der Vergangenheit

Jeder Mensch trägt einen Rucksack mit Ereignissen aus der Vergangenheit mit sich herum. Eine liebe Bekannte, die mir durch ihr (scheinbar) übertriebenes Gesundheitsbewusstsein auffiel, hat mir neulich ihre Geschichte erzählt. Von einem gewalttätigen Vater und einer lieblosen Mutter, von Knochenbrüchen und Schlägen, die dazu führten, dass sie auf einem Ohr taub ist. Sie erzählte mir, dass sie in jungen Jahren als Folge der Gewalt schwer erkrankte und danach beschloss, alles zu tun, um – körperlich und seelisch – gesund zu werden und zu bleiben. Meine Bekannte arbeitet heute als Ärztin und Psychotherapeutin, um anderen Menschen zu helfen, und lebt in einer liebevollen Beziehung. Mir wurde bewusst, wie leicht es ist, über andere zu urteilen, von deren Vergangenheit wir nichts wissen. Und ich empfinde große Hochachtung für diese Frau, die alles tut, um sich mit ihrer Vergangenheit auszusöhnen. Die sich Hilfe holt, wenn ihre inneren Dämonen übermächtig werden.

Ich denke an meine Eltern, die im Krieg geboren wurden und von deren Geschichten ich nur Bruchstücke kenne: der Vater knapp einem Bombardement seines Elternhauses entronnen, die Mutter zu Kriegsende mit den Eltern auf der Flucht. Mein Vater, der zeit seines Lebens keine Gefühle zulassen konnte und kaum anwesend war, meine Mutter, die mit lauten Kindern überfordert war.

Und je mehr ich mich mit Trauma beschäftige, desto klarer wird mir, dass wir alle auf die eine oder andere Weise davon betroffen sind. Die Nachfahren der Kriegsgeneration haben die Traumata der Eltern und Großeltern übernommen. Besonders geholfen hat mir bei dieser Erkenntnis das Buch „Kriegserbe in der Seele. Was Kindern und Enkeln der Kriegsgeneration wirklich hilft“ von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer, zwei Traumatherapeuten. Sie schreiben über Ängste, Schuldgefühle, innere Leere oder Leistungsdruck als Folge von Kriegstraumata. Beschreiben (unausgesprochene) Aufforderungen wie „Stell dich nicht so an“, die viele meiner Generation kennen.

Vielleicht geht es jetzt darum, ein kollektives Trauma zu heilen. Vielleicht müssen einige Menschen jetzt voran gehen, die bereit sind, in die Tiefe zu gehen und ihre Wunden zu versorgen. Womöglich geht es darum, uns dieser Verantwortung und unserer Vergangenheit zu stellen – damit Heilung möglich wird.

Alles ist möglich

Die Erkenntnis des Tages: Wenn es mir gelingt, mich auf das einzulassen, was gerade ist, ist alles gut. Ich möchte mich nach wie vor auf keinen fixen Wohnort festlegen und warte ab, wohin das Leben mich führt. Ein Zuhause in der Natur muss noch warten, zur Zeit ist es wichtiger, für die Menschen da zu sein, die mich brauchen. Und auch wenn es bisweilen anstrengend ist, alle paar Wochen den Wohnort zu wechseln, ich mich zwischendurch nach mehr Ruhe sehne, kann ich doch auch das Gute sehen: ich begegne sehr unterschiedlichen Menschen, lerne verschiedenste Lebensmodelle kennen und mache neue Erfahrungen. Mit jedem Ortswechsel lerne ich mehr über mich und meine Ansprüche. Manchmal tun diese Erfahrungen auch weh: wenn alte Verletzungen aus der Kindheit hochkommen, die Angst, nicht zu genügen, das Empfinden, nicht dazu zu gehören oder ich mich klein fühle..

Und dann lese ich bei Heidi Brunner von Altes Wissen:

„Nimm dir heute Zeit, deine Themen und Probleme noch einmal genau anzusehen.. Werde dir ebenfalls heute bewusst, dass die Zeit der ewigen Problemwälzung, wo du gedanklich und emotional beständig im Alten hängen bleibst, nun immer mehr endet.. Der Neumond schenkt dir die Kraft der Lösung. Er wird dich auffordern, diese Lösung auch zu leben – bisher gewohnte Handlungen in Bezug auf dein Problem aufzugeben und endlich neue Taten, Gedanken und Energien einzuweben.“

Dann erinnere ich mich wieder daran, dass alles möglich ist, ich die Architektin meiner Träume bin. Ich kann die Vergangenheit hinter mir lassen und dazu alte Zwänge und Konventionen. Ich vertraue dem Leben und meiner inneren Stimme, die mir den Weg zeigt – und bleibe offen für alle Möglichkeiten, die sich mir bieten. Dazu passt ein Zitat von Margaret Drabble, das ich neulich gelesen habe: „When nothing is sure, everything is possible.“ 🙂

Natur pur

Nach einer Woche bei „Little Place of Freedom“ habe ich eine ungefähre Vorstellung davon, wie ein einfaches Leben in Verbundenheit mit der Natur aussehen kann. Der Hof von Isa und Danijel liegt abgelegen in den Bergen Bosnien-Herzegowinas, bis in den nächsten Ort fährt man eine halbe Stunde. In ihrem Gemüsebeet wachsen Tomaten, Paprika, Kohl, Zucchini und noch einiges mehr. Heizung gibt es außer zwei Öfen in Küche und Schlafzimmer keine, hin und wieder fällt der Strom aus. Für eine wie mich, die es gerne warm hat, durchaus eine Herausforderung, denn die Nächte in den Bergen sind kühl. Und doch gewöhne ich mich daran, in der warmen Küche mit den anderen zusammen zu sitzen und tagsüber die wärmende Herbstsonne zu genießen (wenn sie denn scheint).

Ich helfe beim Unkraut jäten, lasse mich gerne mit Köstlichkeiten aus dem Gemüsebeet bekochen. Mache Spaziergänge den Berg hinauf, genieße die Stille und den grandiosen Ausblick. Abends, wenn der Ofen heizt und die Türe offen ist, um ein wenig kühle Luft hereinzulassen, umschwirren riesige Nachtfalter das Licht oder große, blauschwarze Käfer spazieren über den Küchenboden. Einmal hören wir draußen einen Siebenschläfer quietschen und entdecken ihn oben im Gebälk, er sieht uns mit großen, dunklen Augen an, bevor er in einem Loch verschwindet. Wir sitzen ums Feuer, über uns ein großartiger Sternenhimmel. Wenn alle schlafen gehen, wird es stockdunkel, hier gibt es keine störenden Lichter.

Es ist ein Leben, wie ich es mir vor einigen Jahren noch nicht vorstellen konnte. Es tut gut zu sehen, was alles möglich ist.

Heimkommen

Nun bin ich am Meer und es fühlt sich an wie heimkommen, wie eigentlich überall in diesem Land. Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch hier mit meiner Familie, wie ich stundenlang auf unserer Terrasse saß und auf diese Bucht hinausblickte. Wie schwer es mir fiel, nach unserem Urlaub Abschied zu nehmen. Und nun bin ich alleine hier und die anfängliche Wehmut weicht schnell der Erkenntnis, dass es sich richtig anfühlt.

Heimkommen.. dieses Wort löst etwas in mir aus. Gibt es nur den einen Ort, der Heimat bedeutet oder können es mehrere sein? Oder ist es eher ein Gefühl? Home is where my heart is..

Als ich nach Jahren der Unbeständigkeit und Suche eine Familie gründete, dachte ich lange Zeit, dass dies ein Dauerzustand sein könne – ich fühlte mich angekommen. Meine Kinder, unsere schöne Wohnung, ich glaubte, es nach der Zeit der Rastlosigkeit „geschafft“ zu haben und endlich zur Ruhe zu kommen. Bis ich begriff, dass ich nichts mehr liebe, als unterwegs zu sein und Ruhe womöglich gar nicht das ist, was ich brauche. Zwar betrachtete ich lange Zeit die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, als mein Zuhause, zu dem ich nach meinen Reisen immer wieder gerne zurückkehrte. Doch dann zog es mich immer mehr raus aus der Stadt in die Natur.

Werde ich jemals an einem Ort „ankommen“, um dort zu bleiben? Oder reicht es tatsächlich aus, in mir selbst Heimat zu finden, wie ich hier vor einiger Zeit geschrieben habe?

Natürlich gibt es da nach wie vor meine Kinder, die zwar groß geworden sind, aber dennoch immer meine Kinder sein werden. Dass mein erwachsener Sohn mich in der Ferne anruft, um meinen Rat in einer Sache einzuholen und ich regelmäßig mit meiner Tochter telefoniere, bedeutet mir unglaublich viel. Mit beiden habe ich oft darüber gesprochen, wie wichtig mir ein gewisser Freiraum ist, dennoch war immer klar, dass ich für sie da bin, wenn sie mich brauchen.

Und so sitze ich hier auf meinem kleinen Balkon mit Blick auf die Bucht, die ich so sehr liebe. In dem Wissen, dass es schon übermorgen weitergeht, denn ich habe mir vorgenommen, dieses Land und seine Leute zu erkunden. Doch wer weiß, vielleicht komme ich bald wieder, alles ist möglich – und diese Freiheit ist es, die ich gerade brauche.

Den eigenen Weg gehen

Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, auf meine innere Stimme zu hören. Das bedeutet, dass ich Entscheidungen oft spontan und aus dem Bauch heraus treffe. Es kann auch bedeuten, dass ich Dinge nicht tue, die andere von mir erwarten, wenn es sich nicht gut für mich anfühlt. Dann kann es vorkommen, dass andere sich vor den Kopf gestoßen fühlen. Es kommt vor, dass ich egoistisch genannt werde. Ich nenne es Selbstfürsorge: Ich sorge für mich, indem ich darauf achte, was mein Körper und – ebenso wichtig – meine Seele gerade braucht. Wenn ich Hunger habe, esse ich. Wenn ich mich in Gesellschaft anderer nicht wohl fühle, verabschiede ich mich. Da ich gelernt habe, in mich hinein zu spüren, nehme ich mehr von den Menschen um mich herum wahr. Ich erkenne sehr schnell, wenn jemand nicht authentisch ist.

Ich habe mir viele Freiheiten in meinem Leben erarbeitet, habe mich selbständig gemacht, weil das meinem Naturell entspricht. Als ich Kinder bekam, war es oft ein Balanceakt zwischen dem Leben als Mutter und dem Bedürfnis nach Zeit für mich. Ich war für meine Kinder da, wenn sie mich brauchten, habe mir aber auch meine Auszeiten genommen. Je älter ich werde, desto kompromissloser werde ich. Es ist mir nicht mehr so wichtig, was andere von mir denken. Ich habe gelernt, Grenzen zu setzen und im richtigen Moment Nein zu sagen. Das bedeutet nicht, dass mir andere Menschen egal sind, ich fühle mich vielen sehr verbunden. Je älter ich werde, desto mehr kann ich zu mir und meinen Werten stehen – auch wenn ich damit anecke. Wenn ich Ungerechtigkeit sehe, mache ich darauf aufmerksam.

Auf meinem ganz eigenen Weg unterwegs zu sein, fühlt sich gut an, ist aber auch herausfordernd und nicht jeder kann damit umgehen. Es gibt ein in Zitat von Maya Angelou, das ich sehr mag: „Man ist erst dann frei, wenn man erkennt, dass man nirgendwo hingehört. Man gehört überall hin – und nirgends. Der Preis ist hoch. Die Belohnung auch.“

Entscheidung fürs Leben

Ich war 27, als ich ungewollt schwanger wurde. Es geschah in Südamerika, auf einer meiner Reisen. Ich lernte einen jungen Mann kennen, der ebenfalls unterwegs war, wir verliebten uns und beschlossen, gemeinsam weiter zu reisen. Es war eine Zeit in meinem Leben, in der ich planlos durchs Leben trieb und nicht recht wusste, wohin mit mir. Nicht bereit, für mich selbst oder irgendjemand anderen Verantwortung zu übernehmen. Und so konnte auch diese ungeplante Schwangerschaft passieren – weil wir statt zu verhüten lieber „aufpassten“. Nun ja…

Ich weiß noch, wie mich der Anblick des positiven Testergebnisses emotional aufwühlte, ich die Tränen kaum zurückhalten konnte – da war eine Mischung aus Freude und Angst. Ich überlegte hin und her, was ich tun sollte, die Voraussetzungen waren alles andere als günstig: der Vater des Kindes aus einem anderen Land, fünf Jahre jünger, nicht bereit, für ein Kind Verantwortung zu übernehmen. Und ich nicht so weit, ein Kind alleine aufzuziehen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich mir kompetente Beratung gewünscht, doch abgesehen von zwei (männlichen) Ärzten – „Sie sind genau im richtigen Alter“ vs. „Eher schwierig“ – war da niemand. Also trafen wir eine Entscheidung – kurze Zeit später war unsere Beziehung Geschichte. Einen Tag nach dem Abbruch ging ich zurück zur Tagesordnung und verdrängte das Thema geflissentlich. Doch etwas blieb.. eine Sehnsucht, die ich mir kaum einzugestehen wagte.

Zwei Jahre später war ich erneut schwanger, wieder hatte ich es darauf ankommen lassen. Heute weiß ich: Dahinter stand der unausgesprochene Wunsch, nach Jahren des Suchens endlich eine sinnvolle Aufgabe in meinem Leben zu haben. Diesmal stand ich zu meiner Verantwortung, auch wenn sie mir noch Angst machte. Ich fühlte mich nicht reif für die Mutterrolle, sollte erst nach und nach in sie hineinwachsen. Und natürlich blieb es nicht die einzige sinnvolle Aufgabe in meinem Leben, ich fand endlich meinen beruflichen Weg. Als ich einige Jahre später zum dritten Mal – trotz Verhütung – schwanger wurde, war die Freude groß. Wieder war da eine unausgesprochene Sehnsucht gewesen.

Heute weiß ich, dass die Entscheidung für meine Kinder die beste meines Lebens war.

Manchmal frage ich mich, was aus diesem Ungeborenen geworden wäre – ein Junge oder Mädchen? Zurückhaltend wie mein Sohn, temperamentvoll wie meine Tochter – oder ein ganz eigener Charakter? Ein Mensch, der heute 26 Jahre alt wäre.

Dem Leben vertrauen

Nun ist es soweit: Nachdem ich alle Zelte in meiner Heimatstadt abgebrochen habe, wird sich zeigen, was die Zukunft bringt. Den Sommer verbringe ich in meinem geliebten Salzkammergut und ab Herbst geht es auf Wanderschaft. Ich habe ein paar Ideen und Kontakte, aber wenige fixe Pläne.

Viele Reaktionen auf mein Vorhaben zeigen mir die vorherrschende Unsicherheit: Machen das nicht nur junge Leute? Oder auch: Bist du dafür nicht zu alt? Was ist mit deinen Kindern, Freunden, Eltern? Wie geht sich das finanziell aus? Aus manchen Fragen, in denen ein versteckter Vorwurf mitschwingt, höre ich heraus: Ängste und Unzufriedenheit, ein nicht gelebtes Leben.

Meine Antworten lauten: Ich bin kein Sicherheitsmensch, habe kein Bedürfnis, mich gegen alles mögliche abzusichern, wie es in unserer Gesellschaft üblich ist. Ich habe nie großen Wert auf einen fixen Job mit sicherem Einkommen gelegt. Und dennoch ist sich in meinem Leben immer alles ausgegangen.

Ich habe mir eine berufliche Basis geschaffen, die es mir erlaubt, überall zu arbeiten und mir meine Zeit frei einzuteilen. Ich habe vor, ein Buch über meine Erfahrungen zu schreiben und damit meine zwei größten Leidenschaften zu verbinden: Reisen und Schreiben.

Ich werde Alternativen zu unserem Geldsystem ausprobieren: Wohnen gegen Mithilfe, Wwoofen, schauen, was sich ergibt.

Ich habe gelernt, meiner inneren Stimme zu vertrauen. Ich denke nicht darüber nach, was vielleicht in ein paar Monaten sein wird, sondern konzentriere mich auf den jetzigen Moment.

Meine Gegenfragen lauten: Die Zeiten sind unsicherer denn je, was habe ich zu verlieren? Wir können nicht weitermachen wie bisher, also warum nicht etwas Neues wagen, vielleicht gemeinsam mit Gleichgesinnten?

Das Schöne ist: seit ich diese Idee geboren habe, tauchen Menschen und Projekte auf, bekomme ich Angebote, die etwas in mir zum Schwingen bringen. Mein Ziel ist es, Menschen und Orte zu finden, die meine Seele berühren. Vielleicht den Ort zu finden, an dem ich mich niederlassen möchte. Und dem Leben zu vertrauen.

Was braucht es für ein gutes Leben?

Vor mehr als zehn Jahren entschloss ich mich nach langer Suche dazu, mich als Journalistin selbständig zu machen. Der Beginn meiner Laufbahn war nicht leicht, doch sobald ich mich dafür entschieden hatte, kniete ich mich rein. Ich spezialisierte mich auf die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit, schrieb mein erstes Buch, hatte damit Erfolg. Bald wurde ich als Nachhaltigkeitsexpertin gehandelt. Der Ehrgeiz hatte mich gepackt, ich wollte noch erfolgreicher sein. Da die durchschnittlichen Honorare im Journalismus nicht gerade berauschend sind (von einigen Ausnahmen abgesehen, für die ich sehr dankbar bin), musste ich dementsprechend viel arbeiten, um über die Runden zu kommen. Ich wollte aber auch für meine Familie und vor allem für meine Kinder da sein. Zum Glück hatte ich einen – ebenfalls selbständigen – Mann, der mich auf allen Ebenen unterstützte. Das ging einige Jahre gut, bis sich erste Erschöpfungsanzeichen bemerkbar machten. Ich war in ein Alter gekommen, in dem ich nicht mehr uneingeschränkt belastbar war.

Während der Jahre hat sich meine Einstellung zu Erfolg und auch zu materieller Fülle verändert. Durch meine Arbeit habe ich zu viel über die Auswirkungen unseres Konsums oder die Nachteile unseres Wirtschafts- und Finanzsystems gelernt, um weiterzumachen wie bisher. Ich stellte fest, dass ich nur sehr wenig brauche, um zufrieden zu sein – ja, dass die Dinge, die mich am glücklichsten machen, nicht materieller Natur sind. Heute kaufe ich nur mehr sehr wenig, vieles gebraucht, tausche und teile lieber. Und schließe mich mit Menschen zusammen, die ähnlich denken.

Die Corona-Krise, in der vieles plötzlich nicht mehr möglich war und auch die Aufträge zurückgingen, hat mir dann endgültig die Augen geöffnet. Zu sehen, dass gerade in dieser schwierigen Zeit die Schwerreichen profitierten und die Schere zwischen Arm und Reich noch mehr auseinanderging, machte etwas mit mir. Heute arbeite ich weniger und wähle meine Auftraggeber sehr bewusst aus. Ich denke viel darüber nach, wie und wo ich leben möchte und werde mich zu diesem Zweck auf eine Reise begeben – und meine Erfahrungen in einem Buch festhalten. Eine wichtige Frage wird sein: Wie viel Geld brauche ich für ein gutes Leben?

Erfolg bedeutet für mich nicht mehr, viel Geld zu verdienen, sondern für meine Werte einzustehen. Ich schreibe in meinen Blogs unentgeltlich, weil es mir ein Anliegen ist, Menschen Mut zu machen oder vielleicht auch zum Nachdenken anzuregen – und es kommt so viel zurück, was mit Geld nicht aufzuwiegen ist.

Abschied und Neubeginn

Seit einigen Monaten fühlt sich mein Leben wie ein einziger Abschied an: von meinem Leben mit Mann, Kind und Katze, von den Erwartungen an meine Beziehung, die sich nicht erfüllten. Von Lebensumständen, die sich am Ende nicht mehr richtig anfühlten. Und nun musste ich auch noch einem engen Familienmitglied Lebewohl sagen.

In manchen Bereichen war der Abschied endgültig, in manchen vollzieht er sich schrittweise. Meine Tochter wird nun erwachsen und muss sich von ihrer Mutter lösen. Und auch wenn es noch so sehr schmerzt, ist einmal mehr Loslassen gefragt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, sich vom mütterlichen Einfluss abzugrenzen und möchte ihr diesen Schritt leichter machen als er für mich war.

Ich verabschiede mich nun von meinem Leben in der Stadt, denn mit dem Herzen bin ich längst woanders. Es könnte auch ein – zumindest vorübergehender – Abschied von meinem seßhaften Leben werden. Reisen, eine Weile in einem anderen Land leben, Wohnen gegen Mithilfe – alles ist möglich, das Abenteuer ruft. Nach über zwanzig Jahren Leben mit Kindern ist nun die Zeit gekommen, loszuziehen – etwas, wovon ich mein ganzes Leben geträumt habe. Letztendlich ist es auch der Abschied von einem System, in dem ich mich schon lange nicht mehr wohlfühle.

Wenn mir das Herz schwer wird, denke ich daran, dass jeder Abschied auch ein Neubeginn ist. Wie Hermann Hesse in einem meiner Lieblingsgedichte schreibt:

„Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

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