Was braucht es für ein gutes Leben?

Vor mehr als zehn Jahren entschloss ich mich nach langer Suche dazu, mich als Journalistin selbständig zu machen. Der Beginn meiner Laufbahn war nicht leicht, doch sobald ich mich dafür entschieden hatte, kniete ich mich rein. Ich spezialisierte mich auf die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit, schrieb mein erstes Buch, hatte damit Erfolg. Bald wurde ich als Nachhaltigkeitsexpertin gehandelt. Der Ehrgeiz hatte mich gepackt, ich wollte noch erfolgreicher sein. Da die durchschnittlichen Honorare im Journalismus nicht gerade berauschend sind (von einigen Ausnahmen abgesehen, für die ich sehr dankbar bin), musste ich dementsprechend viel arbeiten, um über die Runden zu kommen. Ich wollte aber auch für meine Familie und vor allem für meine Kinder da sein. Zum Glück hatte ich einen – ebenfalls selbständigen – Mann, der mich auf allen Ebenen unterstützte. Das ging einige Jahre gut, bis sich erste Erschöpfungsanzeichen bemerkbar machten. Ich war in ein Alter gekommen, in dem ich nicht mehr uneingeschränkt belastbar war.

Während der Jahre hat sich meine Einstellung zu Erfolg und auch zu materieller Fülle verändert. Durch meine Arbeit habe ich zu viel über die Auswirkungen unseres Konsums oder die Nachteile unseres Wirtschafts- und Finanzsystems gelernt, um weiterzumachen wie bisher. Ich stellte fest, dass ich nur sehr wenig brauche, um zufrieden zu sein – ja, dass die Dinge, die mich am glücklichsten machen, nicht materieller Natur sind. Heute kaufe ich nur mehr sehr wenig, vieles gebraucht, tausche und teile lieber. Und schließe mich mit Menschen zusammen, die ähnlich denken.

Die Corona-Krise, in der vieles plötzlich nicht mehr möglich war und auch die Aufträge zurückgingen, hat mir dann endgültig die Augen geöffnet. Zu sehen, dass gerade in dieser schwierigen Zeit die Schwerreichen profitierten und die Schere zwischen Arm und Reich noch mehr auseinanderging, machte etwas mit mir. Heute arbeite ich weniger und wähle meine Auftraggeber sehr bewusst aus. Ich denke viel darüber nach, wie und wo ich leben möchte und werde mich zu diesem Zweck auf eine Reise begeben – und meine Erfahrungen in einem Buch festhalten. Eine wichtige Frage wird sein: Wie viel Geld brauche ich für ein gutes Leben?

Erfolg bedeutet für mich nicht mehr, viel Geld zu verdienen, sondern für meine Werte einzustehen. Ich schreibe in meinen Blogs unentgeltlich, weil es mir ein Anliegen ist, Menschen Mut zu machen oder vielleicht auch zum Nachdenken anzuregen – und es kommt so viel zurück, was mit Geld nicht aufzuwiegen ist.

Besser geht’s nicht

Neulich, als ich mit meiner Familie einen Badenachmittag verbrachte, machte sich eine wohlige Zufriedenheit in mir breit. Ich beobachtete meine Tochter dabei, wie sie selbstvergessen im See planschte und spürte mit aller Deutlichkeit, dass es das ist, was mein Leben lebenswert macht. Gleichzeitig dachte ich an den Artikel, den ich am Vormittag abgeliefert hatte und mir wurde klar, dass das Eine ohne das Andere nur halb so viel wert wäre. Ich spürte große Dankbarkeit dafür, dass es mir gelungen ist, zwei Leben zu vereinbaren – als Mutter und als erfolgreiche Journalistin. Es wird ja viel geschrieben und diskutiert über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und immer öfter fällt die Behauptung, dass sie nicht machbar sei. Ich behaupte das Gegenteil: Ja, sie ist machbar, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. In meinem Fall funktioniert es, weil ich einen Mann an meiner Seite habe, dem es genauso wichtig ist wie mir, seine Zeit auf Arbeit und Familie aufzuteilen. Es ist möglich, weil wir beide selbständig sind und unsere Arbeitszeit selbst einteilen können. Und es funktioniert vor allem deshalb, weil wir uns nicht nur Kinderbetreuung und Haushalt aufteilen, sondern auch das Familieneinkommen. Denn Halbe-Halbe sollte sich nicht darauf beschränken, den Mann an seine Pflichten im Haushalt zu erinnern, sondern vielmehr eine Chance für beide Elternteile bedeuten, mehr Verantwortung zu übernehmen: er für die Kinder, sie für das Geld.

Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten, sondern kann auch funktionieren, wenn beide sich ihre Zeit so einteilen, dass genügend davon für die Famile und Freizeit bleibt. Im Idealfall würde das bedeuten, dass die Arbeitswelt sich endlich an veränderte Bedürfnisse von heutigen Eltern anpasst und es Männern leichter macht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder in Karenz zu gehen. Und für Frauen nicht nur schlecht bezahlte Teilzeitjobs bietet, sondern andere Möglichkeiten, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Familienrechtsexpertin Dr. Helene Klaar meint dazu: “Es sollte für Eltern eine dreißig Stunden-Woche geben. Dann könnten sich beide Elternteile um die Kinder und Haushalt kümmern und gleichzeitig ihren Berufen nachgehen. Das größte Problem für die Familien ist die kapitalistische Produktionsweise. In Wirklichkeit kann niemand 40 Stunden oder mehr arbeiten und sich gleichzeitig um die Kinder kümmern, ohne Verlust jeglicher Lebensqualität.”

Bis dahin scheint es ein weiter Weg zu sein. Und auch bei mir dauerte es lange, bis ich in meiner Partnerschaft Verantwortung für die gemeinsamen Finanzen übernahm. Ich hasste zwar das Gefühl, abhängig zu sein, war latent unzufrieden – nahm das aber lange Zeit in Kauf. Teils aus Bequemlichkeit, teils wegen mangelnder beruflicher Perspektiven. Und auch heute ist es nicht so, dass die Aufteilung zwischen meinem Mann und mir immer reibungsfrei abläuft. Denn es geht ja nicht nur um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern auch um die Arbeit im Haushalt, um Freizeit, Sport, Freunde und die Zeit, die wir als Paar verbringen wollen. Und dann wären da noch die Auszeiten, die jeder von uns in regelmäßigen Abständen für sich einfordert. Da kann es schon passieren, dass die Frage, wer mit dem Einkaufen dran ist, in einen Machtkampf ausartet. Und in hitzige Diskussionen darüber, wer sich mehr im Haushalt einbringt. Manchmal helfen dann nur noch ausgefeilte Entspannungstechniken, oder aber die hilfreiche Gabe, Prioritäten zu setzen und großzügig über die Staubschicht im Wohnzimmer hinwegzusehen.

All die Strapazen und Differenzen sind jedoch vergessen, wenn ich mir des Privilegs bewusst werde, all das zu haben, was ich mir immer gewünscht habe: zwei wunderbare Kinder, einen Beruf, den ich liebe, ein erfülltes Leben. Besser geht’s nicht.

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