Das Leben feiern

Es wird Zeit, dass wir Frauen damit aufhören, uns über unser Aussehen zu definieren. Es gibt so viel Wichtigeres im Leben, als Kilos zu zählen!

Ich muss um die siebzehn gewesen sein, als es mir dämmerte: dünn zu sein ist erstrebenswert. Lange Zeit hatte ich mich als zu mager, zu wenig weiblich empfunden. Bis ich meinen ersten richtigen Freund hatte und der mich gut fand – genauso, wie ich war. Ich begann, mich über meinen Körper zu definieren und bezog mein Selbstwertgefühl forthin aus der Tatsache, dass Männer mich attraktiv fanden. Das traf sich gut, denn in meinem Inneren blieb ich schüchtern und unsicher, daran änderte auch der scheinbar perfekte Körper nichts. Zur Bewunderung der Männer kam der Neid des eigenen Geschlechts: jahrelang bekam ich Kommentare zu meiner Figur zu hören, oft untergriffig und respektlos, immer von Frauen. Und ich lernte viele kennen, die mit ihrem Aussehen haderten: Freundinnen, die sich zu dick fanden, obwohl ich keinen Gramm zu viel an ihnen entdecken konnte. Die beste Freundin, die immer mehr an Gewicht verlor – bis ich herausfand, dass sie magersüchtig war.

Ich gebe zu, dass ich es gut getroffen habe: Ich kann essen, was ich will, ohne zu zu nehmen, war nie auf Diät, benutze keine Waage. Warum soll es wichtig sein, mein Gewicht zu kennen, solange ich mich wohl in meiner Haut fühle? Doch auch bei mir gab Zeiten, in denen ich mit meinem Äußeren nicht zufrieden war. Bis ich zu dem Schluss kam: Ich bin jenseits der 40, habe zwei Kinder geboren, muss ich aussehen wie ein Supermodel? Heute fühle ich mich wohl mit mir und meinem Körper, doch das war ein langer Weg. Es brauchte Jahre, bis ich kapierte: äußere Schönheit ist nichts wert, wenn du dich innen drin nicht leiden kannst. Und auch heute ertappe ich mich hin und wieder dabei, wie ich andere Frauen kritisch mustere und vorschnell ein Urteil fälle, alleine wegen ihres Aussehens. Dann mache ich mir bewusst, wie sehr wir vom Schönheitsideal beeinflusst werden, das die Werbung oder Hollywood uns vorgibt. All diese makellosen und scheinbar alterslosen Schönheiten – sind sie wirklich das Maß aller Dinge? Wie kommt es, dass wir Frauen uns auf unsere Körper reduzieren lassen und bei diesem Irrsinn mitmachen? Hin und wieder begegne ich Frauen (und Männern) mit einer besonderen Anziehungskraft, die nichts mit perfekten Proportionen zu tun hat. Es sind Menschen, die ein Strahlen in den Augen haben, die wissen, was sie wollen und sich nicht darum kümmern, was andere von ihnen denken. Oder ältere Menschen, die dieses gewisse Etwas haben und in sich ruhen – Menschen, die zu ihrem Alter stehen können. „Wo sind wir als Gesellschaft so falsch abgebogen, dass wir das Altern als etwas Schlechtes ansehen?“ fragt  Taryn Brumfitt, die in ihrer Doku „Embrace“ den vorherrschenden Jugend- und Schönheitswahn aufs Korn nimmt.

Es wird Zeit, dass wir Frauen damit aufhören, uns über unseren Körper zu definieren und uns stattdessen unserer Stärken besinnen – und beginnen, das Leben zu feiern! Es gibt so viel Wichtigeres als Kilos zu zählen und sich ein Schönheitsideal überstülpen zu lassen. Wollen wir wirklich unseren Töchtern vermitteln, dass sie nicht gut genug sind, nur weil sie keine Modelmaße haben? Wollen wir es zulassen, dass Mädchen sich über ein Körperbild definieren, bei dem eine Lücke zwischen den Oberschenkeln (Thigh Gap) als erstrebenswert gilt? Auch der aktuelle Trend, mollige Frauen hoch zu stilisieren, ist nur ein weiterer Auswuchs weiblicher Körperfixiertheit. Ich glaube, dass wir damit aufhören müssen, den weiblichen Körper zum Thema zu machen, egal ob dick oder dünn. Denn wir Frauen sind viel mehr als das.

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