Entscheidung fürs Leben

Ich war 27, als ich ungewollt schwanger wurde. Es geschah in Südamerika, auf einer meiner Reisen. Ich lernte einen jungen Mann kennen, der ebenfalls unterwegs war, wir verliebten uns und beschlossen, gemeinsam weiter zu reisen. Es war eine Zeit in meinem Leben, in der ich planlos durchs Leben trieb und nicht recht wusste, wohin mit mir. Nicht bereit, für mich selbst oder irgendjemand anderen Verantwortung zu übernehmen. Und so konnte auch diese ungeplante Schwangerschaft passieren – weil wir statt zu verhüten lieber „aufpassten“. Nun ja…

Ich weiß noch, wie mich der Anblick des positiven Testergebnisses emotional aufwühlte, ich die Tränen kaum zurückhalten konnte – da war eine Mischung aus Freude und Angst. Ich überlegte hin und her, was ich tun sollte, die Voraussetzungen waren alles andere als günstig: der Vater des Kindes aus einem anderen Land, fünf Jahre jünger, nicht bereit, für ein Kind Verantwortung zu übernehmen. Und ich nicht so weit, ein Kind alleine aufzuziehen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich mir kompetente Beratung gewünscht, doch abgesehen von zwei (männlichen) Ärzten – „Sie sind genau im richtigen Alter“ vs. „Eher schwierig“ – war da niemand. Also trafen wir eine Entscheidung – kurze Zeit später war unsere Beziehung Geschichte. Einen Tag nach dem Abbruch ging ich zurück zur Tagesordnung und verdrängte das Thema geflissentlich. Doch etwas blieb.. eine Sehnsucht, die ich mir kaum einzugestehen wagte.

Zwei Jahre später war ich erneut schwanger, wieder hatte ich es darauf ankommen lassen. Heute weiß ich: Dahinter stand der unausgesprochene Wunsch, nach Jahren des Suchens endlich eine sinnvolle Aufgabe in meinem Leben zu haben. Diesmal stand ich zu meiner Verantwortung, auch wenn sie mir noch Angst machte. Ich fühlte mich nicht reif für die Mutterrolle, sollte erst nach und nach in sie hineinwachsen. Und natürlich blieb es nicht die einzige sinnvolle Aufgabe in meinem Leben, ich fand endlich meinen beruflichen Weg. Als ich einige Jahre später zum dritten Mal – trotz Verhütung – schwanger wurde, war die Freude groß. Wieder war da eine unausgesprochene Sehnsucht gewesen.

Heute weiß ich, dass die Entscheidung für meine Kinder die beste meines Lebens war.

Manchmal frage ich mich, was aus diesem Ungeborenen geworden wäre – ein Junge oder Mädchen? Zurückhaltend wie mein Sohn, temperamentvoll wie meine Tochter – oder ein ganz eigener Charakter? Ein Mensch, der heute 26 Jahre alt wäre.

%d Bloggern gefällt das: